Mittwoch, 8. Dezember 2010

Tapai Nepali bhasa bolna saknuhunnchha?

Nepali ist eine einfache Sprache! Das will einem irgendwie jeder weiß machen. Es hört sich ja auch sehr verlockend an, wenn entscheidende Institutionen unserer multimedialen Wissensgesellschaft (von Wikipedia über Lonely Planet bis Kauderwelsch Nepali uvm.) vielsagend betonen, dass Nepali den indogermanischen Sprachen zuzurechnen ist. Ohhh, ich bin entzückt, das klingt ja als könne man die Sprache schon fast! Das hört sich so an als müsste man sich nur in den „indo“-Anteil der Sprache ein wenig reinhören und den Rest würden dann die einem eigens innewohnenden „germanischen“ Sprachgene von Selbst und wie im Schlafe erledigen. Super, eine geschenkte Sprache sozusagen!

Die erste Unterrichtsstunde bestreiten wir auch noch recht selbstbewusst und zuversichtlich, (unsere Mitbewohnerin Lisa, mein Freund und ich.) In einer kleinen Sprachschule, gleich bei uns um die Ecke, haben wir uns für einen Zwölferpack-Nepali-Intensiv-Kurs angemeldet. Intensiv vor allem deswegen, weil unsere hyperaktive Lehrerin Dipa gleichzeitig Unterricht halten, telefonieren und eine Tafelanschrift in rasanter Geschwindigkeit anfertigen kann. Wenn sie gerade mal wieder nichts in ihr pink-bestraßtes Handy bellt, frägt sie uns, die wir eifrig und ohne aufzuschauen in unsere Hefte kritzeln, mit einem zuckersüßen Lächeln: „Siddhyo?“, was so viel heißt wie „Fertig?“ oder „Seid ihr soweit?“ oder „Habt ihr's bald mal?“. Meistens müssen wir das mit einem kläglichen Blick und mechanisch weiterschreibender Hand verneinen! Aber vielleicht liegt das ja nur an uns oder der Lehrerin, nicht aber an dieser leicht zu erlernenden, weil indogermanischen Sprache?!?

In der ersten Stunde zumindest ließ sich die Illusion noch aufrechterhalten. Da die nepalesische Sprache eine äußerst gastfreundlich ist, beherbergt sie viele Anglizismen, die man als Ausländer schamlos ausnutzen kann. Und so kam es, dass wir bereits in der ersten Stunde ganze Sätze produzieren konnten. Die sahen allerdings folgendermaßen aus: „Mero office german embassy ho. Mero friend french chha. Ma Nepali food restaurant-maa kanchhau.“ Doch der Sprachunterricht nahm ungehindert seinen Lauf und damit einhergehend schlich sich die Erkenntnis ein, dass manch theoretische Klassifikation dem Praxistest nicht standhält. Denn ab der nächsten Stunde wurden wir mit komplexen Tafelbildern zu den verschiedenen Konjugationen und Zeitformen inklusive zahlloser Ausnahmen konfrontiert, die uns zwar durchaus an die deutsche Grammatik erinnerten, doch die Wiedersehensfreude hielt sich in Grenzen! Auch die Verben, deren Stamm meist noch recht kurz und bescheiden wirken, schrauben sich nach ihrem Konjugiertwerdens und Dranhängens verschiedener Standorts- oder Beziehungsanzeigender Partikel länger und länger über das Tafelbild. Ich musste mir eingestehen, dass ein Heft in Größe DIN A5 zu klein ist für die nepalesische Sprache!

Der nächste Quell der Freude am Erlernen des Nepalesischen ist die Aussprache und Umschrift (die wir benötigen, weil wir uns noch nicht an die eigentliche Schrift Devanagari herangetraut haben), denn da scheint sich keiner so recht einig zu sein. Zwischen „B“ und „V“ wird in der Aussprache beispielsweise kein großer Unterschied gemacht. So stellte sich einer meiner Arbeitskollege mit den Worten vor: „Ich heiße wie ein Gott: Bishnu!“ Ich hatte den erhaltenden Teil der hinduistischen Dreieinigkeit bisher immer nur als Vishnu kennengelernt, aber wir bezogen uns da durchaus auf dieselbe Gottheit. Nachdem sich Vorfälle dieser Art häuften und meine Verwirrung stetig stieg, habe ich kurzerhand beschlossen ab jetzt immer einen V-Laut vorzutäuschen, der auf den Lippen hängenbleibt oder andersrum ein angehauchtes „B“ aus meinem Mund heraus stolpern zu lassen. Das klingt dann wie ein klares, astreines „bbfbvvbfvf“! Die nächste Zweifelhaftigkeit ist die scheinbar willkürliche Austauschbarkeit von „S“ und „Sch“. Meine Mitbewohnerin Lisa kann dabei schon mal zur „Lischa“ werden, das Büro zum „offisch“ und einmal wird hier „dasain“ als wichtigstes Fest des Jahres gefeiert, der nächste erzählt einem dann aber schon wieder davon, was er mit seinem „daschain“-Zuschlag gekauft hat!

Wenn die Nepalis es bei der Aussprache scheinbar schon nicht so genau nehmen (wobei es uns ja trotz aller lautlicher Großzügigkeit des Nepalesischen durchaus schon passiert ist, dass wir auf unsere Frage nach dem Weg nach „Sundari?“ nur verständnislose Blicke ernteten und das trotz des Versuchs der Vermeidung aller Miss- und Unverständnisse durch einen gänzlichen Verzicht auf Grammatik und zusätzliches Vokabular um das entscheidende Wort „Sundari“ herum!), dann tun sie das zumindest bei den Personalpronomen, bei denen es eine bunte Fülle gibt, die den Höflichkeitsgrad und Beziehungsstatus zwischen zwei Gesprächspartner anzeigen. Es gibt beispielsweise drei verschiedene Du-Formen (die selbstverständlich auch verschieden konjugiert werden). Neben dem höflichen und dem freundschaftlichen „Du“, existiert laut unserer Lehrerin auch eines für – man höre und staune – Hunde, weil man müsse sie ja auf der Straße formal korrekt beschimpfen könne, wenn sie einem nicht aus dem Weg gingen! Nachdem wir ein wenig verwundert mit unseren Nachfragen nicht locker ließen, räumte Dipa ein, dass diese Form auch unter engen Familienmitgliedern verwendet werden könne, aber ausschließlich unter Nepalis! Wie auch immer, dann fällt diese Form für uns beim Lernen zumindest schon mal weg, weil ich hier nicht vorhabe mich in eine nepalesische Familie einzuheiraten (bin ich sowieso schon viel zu alt dafür) und mich mit Sicherheit nicht mit den Hunden auf der Straße auf Nepali unterhalten werde – soweit kommt’s noch!

Da sitzen wir nun also wöchentlich artig in den Schulbänken unseres kleinen Klassenzimmers, das den Straßenlärm voll in sich aufnimmt, und wo sich der Ventilator bedrohlich von der Decke schraubt, im redlichen Bemühen uns der nepalesischen Sprachen anzunähern, die uns doch eigentlich schon so nah sein sollte. Mein Freund ist bei all diesen Schikanen bereits abgesprungen und versucht sich nun lieber übers Essen der nepalesischen Kultur anzunähern. Vielleicht, rätsle und hoffe ich, liegt das daran, dass er sich als nicht-germanischer Muttersprachler noch schwerer tut mit dem Nepalesischen? Mit diesem Hintergedanken bekommt unser Optimismus jede Wochen wieder einen kleinen Aufschwung, wenn unsere Lehrerin Dipa am Anfang der Stunde regelmäßig verkündet: „Today we learn the past simple – it is v e r y easiest...!“

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