Donnerstag, 7. Oktober 2010

Welcome in Kathmandu!

Es war einmal vor ziemlich genau zwei Wochen als wir mit einer Maschine, in der halbverschleierte Stewardessen servierten, sanft gelandet sind zwischen den verschlafenen Hügeln des Himalaya. Gesehen hab‘ ich diese aber noch lange nicht, denn kurz nach dem Hindukusch hüllte sich dichte Nacht ums Flugzeug und im Landeanflug konnte man nur erahnen, dass die paar Lichterfunzeln am Boden auf die Hauptstadt Kathmandu hinweisen sollten.

Vor dem Flughafengebäude, das eher einer Grundschule im heimeligen Backsteindesign glich, wartete bereits ein wuchtiger Geländewagen. Als ich die beiden großen und recht blonden Gestalten davor ausmachte, die umwuselt wurden von eher kleineren, dunkleren Männchen, war mir klar, dass es sich zweifellos um meine zukünftigen Kollegen aus der deutschen Botschaft handeln musste, die uns nun holpernd und schaukelnd durch die Straßen von Kathmandu zu unserer Wohnung navigierten. Ich brannte auf die ersten Eindrücke, die ich durch die staubigen Fensterscheiben auf das unbekannte Terrain erhaschen wollte. Doch es war bereits neun Uhr abends, Gehsteige hochgeklappt, kohlrabenschwarz, load shedding (ein Euphemismus für geplante Stromausfälle aus notorischer Ermangelung desselben, der sich im Laufe meines Aufenthalt mit Sicherheit zum Unwort des Jahres entwickeln wird!)! Nur die ein oder andere trübe Glühbirne enthüllte uns ein paar Eindrücke auf verwirrend verwinkelte Straßen, Mauern, Wege und Häuser in bunter Müslimischung. 

So kam es, dass wir bald in unserer zukünftigen kleinen Wohnung saßen, uns mit knurrenden Mägen ein wenig verständnislos anblinzelten und uns doch nicht mehr auf die Straße trauten. Wir waren der festen Überzeugung weder etwas Essbaren auftreiben zu können „mitten in der Nacht“ noch jemals wieder zurückzufinden. (Man muss dazu sagen, dass man in Kathmandu keinerlei Straßennamen kennt, geschweige denn Hausnummern. Es gibt nur Viertel und Referenzpunkte wie beispielsweise „Grihini Superstore“, „European Bakery“ oder „Police Headquarter“, die als einzige Grundlage zur Orientierung dienen. Sogar Pierres GPS ist beim ersten Anschalten vor lauter Verwirrung abgestürzt und war bisher nicht wiederzubeleben!) Und so lagen wir kurz darauf in unserem neuen nepalesischen Bett und kriegten kein Auge zugedrückt! Verdammt, wir waren endlich in Kathmandu angekommen und haben noch keinerlei sichtbaren Beweis dafür erblickt, außer dem Visum in unseren Reisepässen. Wir starrten noch ein wenig in die Dunkelheit, lauschten der Musik der bellenden Straßenköter, stellten uns in den buntesten Farben vor, wie es da draußen wohl so aussehen möge und mussten dann doch einsehen, dass wir diese Nacht wohl noch geduldig ausharren mussten, bevor die Neugier gestillt werden sollte…!

Am nächsten Morgen krähte uns ein Hahn wach und gaukelte eine friedliche Landidylle vor. Der Blick aus dem Fenster offenbarte üppige Vegetation und man konnte die Berge in der Ferne erahnen. Und so tasteten wir uns langsam vor, nur mit der vagen Wegbeschreibung ausgerüstet, die wir von unserem Vermieter Prim erhielten, der mit seiner Frau Minu im Erdgeschoss des Hauses wohnte. Unsere Wohnung lag mit separatem Eingang im ersten Stock. Nachdem wir das Gassengewirr verlassen hatten und auf der ersten größeren Straße standen, hatte uns auch die Landidylle auf einen Schlag verlassen. Wir staunten nur so als klapprige bunte Busse, ruckelnde Kleintransporter, der ein oder andere UN-Minenentschärfungs-Geländewagen und jede Menge Motorräder an uns vorbeizischten. Linksverkehr ohne eigentliche Verkehrsregeln! Die Hupe war das einzige Kommunikationsmittel im Straßenverkehr und da man sich offenbar so einiges mitzuteilen hatte, wurde viel gehupt – sehr viel und sehr laut! Die Straße war dagegen abwechselnd eine Buckelpiste, ein Schotterhaufen, eine Müllkippe oder einfach nur ein Loch – dies sollte der einzige Tag bleiben, an dem ich mich mit Flip Flops aus dem Haus wagte! Man konnte in diesem wirren Treiben gelegentlich Zeuge werden wie alle Autos gleichzeitig in die Kreuzung einfuhren, Ampeln sind in diesem schönen Reiseland nämlich noch nicht bekannt, und sich dann in der Mitte dermaßen verkeilten, dass dieses Knäuel dann recht aussichtlos wirkt. Dabei fahren die hinteren Autos so weit wie möglich auf, die Motoräder schlängeln sich durch bis auch sie in der Mitte feststecken, die Fußgänger beginnen über die Autos zu klettern und um eine konstruktive Lösung des Autoknoten herbeizuführen, wird gehupt, was das Zeug hält – alle auf einmal! 



Doch irgendwie, ich kann mich beim besten Willen nicht mehr entsinnen wie, kamen wir doch noch in der Altstadt, am Durbar Square, an. Doch wenn ein zivilisierter Europäer bei einem als UNESCO Kulturerbe bezeichneten Platz, der den alten Königspalast und eine Ansammlung von mindestens 15 Tempeln beherbergt, eine gepflegte Fußgängerzone mit polierten Bauwerken erwartet, findet er in Nepal ein heilloses Durcheinander: Die Motorräder flitzen nur knapp an den Tempeln vorbei, deren Stufen von Gemüsehändlern belagert werden, klapprige Taxis lauern mit laufendem Motor und Kindern klettern mit den staubigen Straßenkötern auf den alten Gemäuern um die Wette. Das prachtvolle Kulturerbe wirkt ein wenig angegriffen und ruhelos! Zu allem Überfluss ist gerade noch das Fest Indra Jatra im vollen Gange, mit dem das Ende der Regenzeit gefeiert wird, und man kann so manche Kuriosität erblicken: Schamanen, die kostümiert durch die Straßen zappeln und von der Schar der euphorischen Begleiter vor den Autos abgeschirmt werden müssen, die diese heiligen Männer sonst wohl einfach umnieten würden. Eine mindesten 10 Meter hohe Holzstange (Freud grüßt hier nicht ganz grundlos!), die auf dem Platz errichtet wird, nur um sie gleich wieder zu Fall zu bringen und so orakelhaft das Schicksal der Stadt vorherzusagen. Außerdem eine Götterfratze, aus deren Mund ein überdimensionaler Strohhalm ragt, aus dem einmal im Jahr Bier sprudelt und jeder einmal daran nuckeln darf. Auch eine Bühne war auf den Stufen eines Tempels errichtet, vor deren geschlossenem Vorhang eine ungeduldige Menschenmenge wartete und das vermeintliche Spektakel laut grölend herbeisehnte. Nun auch neugierig geworden harrten wir ein halbe Ewigkeit vor dem weißen Vorhang aus, bis er sich beim Toben der Masse langsam öffnete und drei skurril verkleidete, reglos posierende Gestalten offenbarte. Die Begeisterung des Publikums kannte nun keine Grenzen mehr. Wir dagegen hatten das Gefühl etwas Entscheidendes verpasst zu haben, denn nach wenigen Minuten schloss sich der Vorhang wieder und die Menge stob zufrieden auseinander. Nur wir waren zwei große Fragezeichen bis uns jemand erklärte, dass wir gerade die Inkarnation von Vishnu und zwei weiteren der zahllosen Hindugottheiten erblicken durften. Die Begeisterung konnten wir nun doch ein wenig nachvollziehen, denn wenn in München, stellten wir uns vor, plötzlich mitten auf dem Marienplatz Jesus in Begleitung des heiligen Franz von Assisi und dem Erzengel Gabriel aufkreuzen würde, wäre das Geschrei bei uns auch groß…!!!


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