Dienstag, 10. November 2009

Shake it, Baby!


Wie wäre es mit ein paar Abenteuern aus dem Fitnessstudio, in dem ich mich gleich in der ersten Woche als eine der obersten Prioritäten auf meiner To-Do-Liste angemeldet habe, weil, wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht lange still sitzen kann...

Ich war auch sehr gespannt, schließlich war ich niemals zuvor, auch nicht in Deutschland, in einer solchen Ertüchtigungsanstalt oder wie manch' anderer es nennen mag: Muckibude. Ich dachte mir ganz unverfänglich könnte ich mal mit dem Laufband beginnen. Da gibt niemand Anweisungen, da muss ich nix verstehen, nicht richtig mitmachen. Da gucken nicht alle, weil ich das einzige 皮肤白,鼻子高,眼睛大的美女 (weißhäutige, "hoch-näsige" - im Sinne von Nase deutlich vorhanden -, großäugiges Mädel) bin. Da frägt keiner, ob ich nicht bestimmt aus Russland käme (In Chengdu waren die Leute kreativer, da war ich von Neuseeländerin über Griechin, bis – man man es kaum glauben - Uigurin alles erdenklich mögliche. Hier bin ich nur Russin. Mit der simplen Begründung groß und schlank). Und falls mich doch jemand von der Seite ans Ohr kaut, dann bemerke ich ihn gar nicht.  Schon allein deswegen, weil ich mit dem Rücken zum Studio laufe und meine Ohren mit meinem MP3-Player fest verstöpselt habe. Puhhh - Auszeit!

Lustig ist es trotzdem, die chinesischen Typen neben mir zu beobachten, wie sie immer verstohlen zu mir herüber schielen und versuchen mich auf dem Laufband zu "überholen". Haben sie das dann ihrer Meinung nach geschafft, dann sind sie sichtlich erleichtert und können sich wieder anderen Geräten zuwenden.

Wenn ich gerade mal wieder alle abgehängt habe in meiner Laufbandisolation, dann werfe ich auch mal einen Blick in die Fernseher, die tonlos, aber mir Untertiteln die Wand entlang vor sich hin flimmern. Kochsendungen sind nicht zu empfehlen - da sinkt die Motivation zu laufen drastisch! Stattdessen blättert man schon mal in Gedanken die Speisekarte vom Restaurant um die Ecke durch. Definitiv Laufband förderlich ist „Popey“ auf Chinesisch. Habe selten so gelacht, außer vielleicht noch über die Musiksendungen hier! Generell kann man aber immer nur in homöopathischen Dosen Fernsehen. Denn wenn man hopsenderweise Schriftzeichen in rasender Geschwindigkeit entziffern muss, weil man unbedingt wissen will, was Pluto zu Olivia sagt, kann man dabei leicht seekrank werden. 


 Als noch viel unterhaltender haben sich dann aber doch die Unterrichtsstunden herausgestellt, die von Pilates (普拉提)  über "begeistertes Latein" (激情拉丁) bis "kraftvoll-kochendheißer Tanz" (劲酷热舞) reichen. Die Jogastunde (瑜伽) war schon mal ganz nett. Da konnte ich mein Körperfachvokabular trainieren, weil wir rauf und runter komplett alles entspannen sollten. Sogar das Kinn, die Ohren und - wär hätte gedacht, dass das möglich wäre - sogar die Zähne. Bei so viel Ohm-Entspannung ist mir aber nie richtig warm geworden und wie ihr ja alles wisst, ist es unglaublich-sterbens-%&$"$$§"€@@!!!}][*+#-kalt hier! Also habe ich mir mal den "Bauch-Haut-Tanz" Kurs (肚皮舞) vorgeknöpft, wo meine Erwartungen nicht aufs geringste enttäuscht wurden und das liegt vor allem am Lehrer: ein zuckersüßer, bauchfreier Chinese mit Irokesen Haarschnitt und rosarotem Hüftbehang. Dazu ein Fransentuch, das er sich neckisch um die Brüstchen gewickelt hat, und das ihm immer von den Schultern rutscht, wenn er zu kräftig shimmyt (für alle, die dem bauchtänzerischen Fachvokabular ratlos gegenüberstehen: Shimmy ist das, wenn man entweder Hüften oder Schultern so schnell und besessen schüttelt, dass alles kräftig wackelt und zittert - je solider die Fettschicht, desto besser der Effekt und das sehen dann auch noch die Zuschauer in den letzten Sitzreihen). Gleichzeitig hatte der Süße aber einen recht unerwartet militärischen Drill drauf uns steifgefrorene Schülerinnen mit Klatschen, Rufen und Countdowns weich und biegsam zu schmelzen in den Hüften! Die Lehrmethoden entstammen voll und ganz der chinesischen Unterrichtstradition: keine Zeit mit überflüssigen Aufwärmübungen oder Erklärungen der Bewegungen und Techniken verschwenden, sondern gleich loslegen, zweimal zugucken und dann bitte können. Und weil es genau so einfach und schnell geht, kann man dann auch jede Stunde eine neue, komplette Choreo lernen - Puhhh! Dementsprechend hölzern sieht das dann aber auch aus, wenn man mal einen tollkühnen Blick in den Spiegel wirft und weit und breit verzweifelte Blicke und wild kreisende Hüften sieht, die selbst nicht so recht verstehen, wo sie jetzt gerade eigentlich hingeschoben werden sollen und warum überhaupt. (Zitat: Ist das mein Arsch oder deiner, der mir hier den Blick versperrt?  Ist das dein Arsch oder meiner, ich weiß nicht, wem er gehört! Ist das mein Arsch oder deiner, ich hab den Überblick verlorn – zum Tanzen bin ich nicht geboren!


 
Schön ist es auch beim Kinder-Taekwondo zuzuschauen. Eine halbe Stunde vor Beginn kommt ein Mädchen und bereitet die Halle vor. Das bedeutet: sie hängt feierlich das Unterrichtsplakat an die Wand und wartet dann bis der Rest langsam eintrudelt. Auf dem Wandbehang ist natürlich die koreanische Nationalflagge zu sehen, daneben die typische Taekwondo-Faust und verschiedene motivierende Abzeichen, dekoriert mit koreanischer Schrift, alles passend zum koreanischen Kampfsport eben. Ah ja, und natürlich, das darf nicht fehlen, rechts unten in der Ecke ist auch noch eine chinesische Flagge abgebildet, weil, das muss man schon zugeben, da hat einfach noch so ein roter Klecks gefehlt...

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