Dienstag, 3. November 2009

Peking meldet Schnee



Jetzt ist es passiert: In Peking ist der Winter ausgebrochen! Und er kam heimtückisch, hinterrücks, einfach so über Nacht! Hat sich nicht angekündigt, sondern stand einfach vor der Tür, und dort ist er jetzt festgefroren und lässt sich keinen Zentimeter mehr wegbewegen! Na, das mag jetzt erstmal wenig spannend klingen, Winter wird es schließlich jedes Jahr mal und in München entfaltet er sich ja auch nicht allzu zimperlich. Bei der Erklärung, warum ich diesen Temperatursturz aber trotzdem erwähnenswert finde, hilft ja vielleicht die Beschreibung meiner ersten Reaktion auf dieses Event ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen: Also, ich liege morgens nichtsahnend im Bett, wache langsam auf, wühle noch ein bisschen lustlos in den Laken herum, überrede mich dann innerlich, dass es jetzt Zeit sei, schlage meine Augen auf und werde sofort grell geblendet von perlenweißem Schnee, der sich in dicken Flocken aus dem Himmel schraubt und sich schon zu lockeren Haufen angesammelt hat. Ich katapultiere mich komplett geschockt  aus meinen Deckenbergen und checke zuallererst… na was wohl? Natürlich welches Datum wir haben! 

Einheitshaarschnitt auch für Schneemänner!

Oh nein, erst der erste November!!! Meine Verzweiflung ergibt sich aus der einfachen Tatsache, dass die Heizungen erst am 15ten zentral eingeschaltet werden, weil erst dann ist offiziell Winter und alles, was einem vor diesem Datum blaue Zehen, schlotternde Eiszapfenfinger und klappernde Zähne verursacht, kann wohl nur ein herbstliches Frösteln sein! Ich erspare mir hier jeglichen Kommentar zu sozialistischer Effizienz, zum Gemeinschaftsgefühl durch geteiltes Leid, zum empfindlichen Eingriff in mein Persönlichkeitsrecht NICHT zu frieren, weil schließlich weiß ich ja, dass die rote Sonne des Ostens uns alle wärmen sollte! Ich nehme mir also vor das ganze positiv zu sehen, oder zumindest mit Humor zu nehmen. Ich gebe auch zu, dass ich meinen ersten Spaziergang durch die gezuckerte Stadt nicht komplett verdrießlich fand, schließlich habe ich noch nie Schnee gesehen, zumindest nicht in China. Verdammt kalt ist der aber scheinbar überall auf der Welt und deswegen schnell wieder rein in eine vielversprechende Nudelbude. Vielversprechend, weil mit Spezialitäten aus Chengdu, und die sind, wie ich ein Jahr lang am eigenen Leib erfahren konnte, garantiert scharf. Und was könnte besser sein als sich so einen kleinen inneren Brand zu setzten, wenn es von draußen schon so eisig rein weht? Und das funktioniert wie folgt: Die Gäste, die sich aus dem Menu auf der wandgroßen Tafel etwas ausgesucht haben, rufen das gewünschte Gericht quer durch das Lokal der Besitzerin mit den obligatorischen rosa Ärmelschonern zu. Diese steht neben einem kleinen quadratischen Loch in der gefliesten Wand, der Küchendurchreiche, und gibt die Bestellung weiter. Allerding in doppelter Lautstärke und schneidender Tonlage. Ein gelangweilt bestätigendes Grummeln aus der Küche widerlegt meine Vermutung sofort, das diese wohl gigantische Ausmaße haben müsse, wenn die Dame schon so brüllen muss. Und da kommt auch schon meine doppelt-scharfe Nudelsuppe (麻辣), die ich gierig in mich rein schlürfe. Und, Löffel für Löffel, beginne ich langsam zu schmelzen. Erst läuft die Nase, dann tropft das Schmelzwasser von meiner Mütze und zum Schluss bin ich fast schweißgebadet - gut, dass mir die Besitzerin fürsorglich eine Serviette nach der anderen hinlegt. Aufgeladen stiefle ich wieder in die Kälte hinaus, meine Lippen bitzeln noch immer von der Schärfe und mein Chili-Atem zerschneidet die kalte Luft vor mir. Na siehste, alles halb so wild, denke ich! Nur gut, dass ich in diesem suppen-seligen Moment noch nicht weiß, dass meine körpereigne Wärmebatterie nicht mal den ganzen 6,34 minütigen Rückweg bis vor meine Haustür anhalten wird und gut, dass ich in diesem euphorischen Winterwunderland-Augenblick nicht bedenke, dass mich ein ungeheiztes zugiges Zimmer erwarten wird, in dem ich meine Jacke gar nicht auszuzuziehen brauche....


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