Dienstag, 22. Februar 2011

Zimmer Nr.3: Jimjil-Bang, das „beheizte Badezimmer“

Das Jimjilbang ist ein wahrer Wellness-Synkretismus! In dieser bunten Spa-Mischung ist für jeden Health- und Relaxtyp das richtige dabei…

Doch bevor man so richtig loslegen kann mit der Entspannung, geht’s erst einmal ab in die Badewanne bzw. auf koreanisch auf zum Waschhocker. Auf diesem sitzt man dann, einer neben dem anderen, in einer langen Reihe, jeder vor einem Spiegel. Auf seinem Schemelchen hockend – ich muss zugebend, dass ich dieses Sitzduschen ein wenig gewöhnungsbedürftig empfand – schäumt und braust man sich dann ordentlich ab. Die Koreanerinnen verwenden dafür jede Menge Tools: mit Bürsten und Schwämmen, Läppchen und Lotionen bearbeiten sie sich bis sie ordentlich durchblutet aussehen. Ob die koreanischen Männer sich ähnlich gründlich peelen, weiß ich nicht, da dieser Bereich des Jimjilbangs, wo einem so viel nackte Haut begegnet, natürlich geschlechtergetrennt ist, ganz wie es sich für eine extrem traditionelle Hochtechnologie-Nation gehört – und ich muss ehrlich sagen, das war einer der wenigen Fälle, wo ich den Konservatismus zu schätzen wusste.

Gleich im Anschluss geht’s ins Badehaus, wo man sich in verschieden warmen oder kalten Becken abwechselnd aalen kann. Dort fand ich’s am schönsten, besonders die dampfenden Außenbecken unter eiskaltem Nachthimmel hatten es mir angetan. An den Badebereich sind auch verschieden temperierte Sauna-Zimmer angeschlossen. Die funktionieren nach demselben Prinzip, das wir im Westen auch kennen, nur brutzelt man im Trockenen ohne Aufgüsse. Was dabei keinesfalls fehlen darf, ist der Fernseher in der Sauna, der einen vom Schwitzen ablenkt.

Pärchen - Unterwäsche

Nach der Schwitzerei schrubbelt und duscht man sich noch einmal ab, rubbelt sich trocken und schmeißt sich in die Einheits-Entspannungskluft, die jeder vom Jimjilbang gestellt bekommt. In diesen weiten Hosen und T-Shirt kann man sich nun in den typisch koreanischen Teil des Bangs vorwagen. Denn da die Koreaner alle unglaublich schüchtern, gleichzeitig aber total vernarrt in alles sind, was mit „Couple“ zu tun hat (Die Koreaner sind im absoluten „Couple“ Wahn! Man hat hier große Erwartungen und ganz feste Vorstellung vom über alles erstrebenswerten Pärchen-Dasein. Und die große Liebe hat genaue Spielregeln und wird bis ins letzte Detail inszeniert: Die Frau macht sich hübsch, ist unten sexy in „Highestheels“ und Miniestrock, dafür oben hoch geschlossen, damit man ja nicht auf falsche Gedanken kommt. Vom Mann wird erwartet, dass er seine Zuneigung über den Geldbeutel beweist – je teurer das Essen, je blinkender der Ring, je häufiger Pralinchen und Blümchen, desto größer natürlich die Liebe! Deshalb vermarktet man in Korea alles am besten mit dem Label „Romantic“ oder „Couple“: Man schlendert am Romantic Beach entlang, er lädt sie zu einem Couple-Menü im Coffee Shop ein, wo im Hintergrund romantische Musik dudelt. Dort schenkt er ihr ein Handy in romantic-pink-metallic mit blinkendem Herzanhänger, für das er einen Pärchen-Vertrag abgeschlossen hat. Darunter tragen sie beide Couple-Unterwäsche!), brauchen sie ungezwungene, aber nicht zu intime Gelegenheiten auf das andere Geschlecht zu stoßen. Und genau für dieses Bedürfnis wurde der züchtige Unisex-Bereich des Jimjilbang geschaffen. Dort hat man sich nun - als Lösung des Problemfeldes „wir möchten daten, aber bitte mit Kleidung“ - Hitzeräume ausgedacht, in die man sich vollständig bekleidet in seiner Wohlfühlkluft begibt, um sich danach in einem Kälteraum statt mit einer Dusche wieder abzukühlen. Man kann sich also beim wechselweisen Schwitzen oder Bibbern näher kommen, falls man möchte. Die Räume sind thematisch auch durchaus ansprechend eingerichtet – die Psyche schwitzt in der Wüstenlandschaft mit Lavasteinen oder friert in der Unterwasserlandschaft mit Aquarium richtig mit. Natürlich kommen auch ganze Familien zum Wochenendausflug oder Arbeitskollegen zum Ausnüchtern nach dem letzten Gelage ins Jimjilbang. Das Jimjilbang ist aber auch einfach ein guter Ort mit seinen Kumpels abzuhängen. Man kann dort nämlich, abgesehen von Kühlkammern und Schwitzkästen, fast alles machen, was Spaß bringt und gut tut. Man lümmelt sich wahlweise auf der Fußbodenheizung (nennt sich hier übrigens Ondol und dieses Heiz-System hat in Korea schon seit Jahrhunderten Tradition, weshalb Koreaner auch so bodenfixiert sind bei essentiellen Tätigkeiten wie Schlafen oder Essen), schlürft traditionell ein kaltes Reisgetränk, wozu ein hartgekochtes Ei gesnackt wird, und stochert in einem gefrorenen Familysize-Obst-Joghurt-Turm mit Soße, während man sich von großen Flachbildschirmen vom letzten Drama berieseln lässt (so nennen sich die koreanischen Soaps und die schaut hier einfach jeder wie Nachrichten). Man kann sich von Massagestühlen oder echten Händen durchkneten lassen, ins Noraebang zum Singen gehen, sich Mani- und Pediküren unterwerfen, in „Couple“- Liegestühlen DVD gucken oder in einem Fußbad herumspazieren, falls man vom Planschen noch nicht genug hat und noch nicht völlig aufgeschrumpelt ist. Noch dazu hat das Jimjilbang meist 24h geöffnet, man kann dort also auch gleich die Nacht verbringen. Das Nächtigen funktioniert dann aber wieder ganz züchtig: in geschlechtergetrennten Schlafsälen rollt man seine Matte auf dem Fußboden aus und kann dann höchsten noch vom Aufriss des Tages träumen, mit dem man sich so herzerwärmend auf dem Ondol geräkelt und gemeinsam an einem getrockneten Oktopus geknabbert hat. Naja, vielleicht sieht man sich ja mal wieder – im DVD-Bang zum Beispiel…

 Romantic - Roller

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